Walter Benjamins (1892-1940) frühe Abhandlung Über Sprache überhaupt und über die Sprache des Menschen (1916) (im Folgenden 16-Sprachtheorie genannt) kann als Keimzelle seines späteren Denkens gelten. Auch in dessen Theorie der Jugendkultur, die die Bedingungen untersucht, unter denen jeder Mensch zum Träger von Kultur wird, sind Benjamins spätere Werke bereits angelegt (Steizinger 2013, Kobayashi 2015). So wird in Benjamins Aufsätzen bis hin zu seinem Spätwerk der Begriff des Geschlechts verwendet, so etwa im Passagen-Werk (Weigel 1997, Stögner 2020). Eine solche Fokussierung auf das Geschlecht gilt als Gemeinsamkeit mit den Ideen seiner Jugend, die die Schaffung von Kultur durch soziale Minderheiten vorsehen. Es gibt jedoch keine Perspektive darauf, inwiefern solche Vorstellungen des Geschlechts auch für die 16-Sprachtheorie relevant sind. Die vorliegende Arbeit legt den Schwerpunkt auf das „Schweigen“ und die „Stummheit“ von Frauen und Jugendlichen, die nicht am kulturellen Schaffen teilnehmen durften, und auf die Bedeutung, die dies für die 16-Sprachtheorie hat. Beides sind wichtige Themenfelder für Benjamin. Unter diesem Gesichtspunkt wird dieser Beitrag zeigen, dass Benjamins 16-Sprachtheorie eine gemeinsame Basis mit den Theorien seiner Jugend hat, in denen er die Schaffung von Kultur durch soziale Minderheiten untersucht, und wird eine Perspektive anbieten, aus der seine Sprachtheorie im Hinblick auf den Begriff des Geschlechts gelesen werden kann.
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