Seit Byrons Provokation der Mode durch Stil ist der Dandy, bei dem das Selbst mit der Inszenierung des Selbst gleichgesetzt ist, die unerhOrte Negation der Moralisten, eine durch und durch unpadagogische Figur, die nicht nur erzogen werden kann, sondern sich jeder Erziehung voraus weiB. Kierkegaard hat als erster die Problematik des Dandytums philosophisch zu erfassen versucht, als eigentiimlichen Gegensatz des "Asthetischen" und des "Ethischen". Ausgehend von der Situation, in der der auf dem iiberzeitlich Absoluten konstruierte Idealismus Hegels als uberwunden gilt, fragt er, wie sich das "moralische Selbst" auch dann konstituieren kann, wenn sich die PersOnlichkeit weder durch ein Absolutes der Philosophie noch der Religion bestimmen lassen. Er sieht im Akt der Wahl des Subjekts die Moglichkeit, die endlose Kette der asthetischen Augenblicke zu tiberwinden und die Personlichkeit fest zu grunden, wobei vorausgesetzt ist, daB zwischen dem Guten und dem Bosen immer nur das Gute gewahlt wird. Die solcher Voraussetzung zugrundeliegende Annahme der innerweltlichen Prasenz des Guten aber wird bei Baudelaire radikal in Frage gestellt, indem er die Natur als "Grundlage alles moglichen Guten und Schonen" bestreitet. Hierdurch wird das Ethische wie das Asthetische verzeitlicht und relativiert. Dieser Tatbestand findet seinen Ausdruck etwa darin, daB Wahrheit zunehmend weniger mit Bildern des Fortschritts als mit der Metapher des endlosen Weges refiektiert wird, wie es bei Baudelaire und bei Whitman der Fall ist. Die Theorie reagiert auf diese Situation am Ende des 19. Jahrhunderts mit neuen Subjektmodellen, die nicht ldnger von der padagogischen Abbildung des Guten in der Seele des Menschen ausgehen. Gegen Herbarts Versuch, in Anlehnung an die Physik "die Mechanik der Seele" zu beschreiben, loBt Mach die durch den eigenen Raum begrenzte Seele auf in ein "impressionistisches Ich", die rasch verAnderbaren Komplexe der "Empfindungen". Ebenfalls gegen die Beschreibung der Seelenmechanik gerichtet, faBt Bergson dann die "etats de conscience" als mannigfaltig, unterschiedlich intensiv und beweglich, ohne sie in einen geschlossenen Raum zu plazieren. Fiir ihn ist die PersOnlichkeit eine "Schopfung des Selbst durch sich selbst", die in Permanenz geschieht. Mit der Metapher "the Stream of Thought" schlieBlich nimmt James eine Revision des Machschen Subjektmodells vor, indem er in dem BewuBtsein eine standige, sukzessive und komplexe Verknupfung sieht, die lernt, sich auf Kontingenz einzustellen. Hieran zeigt sich der Zerfall des protestantischen Subjekts, einer geschlossenen, wenngleich kargen Grae, von der noch Kierkegaard ausgegangen ist. Angesichts des Zusammenbruchs der protestantischen Konstruktion versucht Nieztsche, mit der Ironie, der von jeder Autoritat freien asthetischen Distanz, das Heilige hinter aller Moral zu entlarven. Aber seine "erbarmungslose" Entlarvung, die auf eigenartige Weise am Fehlen gerade der Distanz scheitert, richtet sich nur gegen den "europdischen Theismus", d. h. einer absoluten Autoritdt vor jeder Moral, aber nicht gegen die Moral selbst. Das "vie moderne" nach Verschwinden des Theismus laBt jedoch die Steigerung der Empfindsamkeit ebenso wie die Verstarkung der Moral zu. Die Vorteile der asthetischen Subjektivitat liegen hierbei darin, daB sie durch ironische Distanz die Moral bestatigen und gleichzeitig entlarven kann und somit die Intoleranz der Moral verhindert: eine Freiheit, die der Glaube nie zugelassen hdtte. In diesem Sinne ist die asthetische Distanz nicht Gegensatz, sondern Bedingung einer post-theistischen Moral.
|