Wahrend der Revolution von 1848/49 war schulze-Delitsch als Abgeordneter der Berliner Nationalversammlung tatig. Nach dem Scheitern der Revolution verzichtete er auf die politische Tatigkeit und fand ein neues Tatigkeitsgebiet in der Genossenschaft. Er meinte, dass die Genossenschaft die kapitalistische Wirtschaft nicht aufheben, sondern korrigieren sollte. Durch den genossen-schaftlichen Zusammenschluss der Handwerker und der Lohnarbeiter sollte die klassengesellschaftliche Polarisation verhindert und die mittleren Schichten gestarkt werden. Aber die Genossenschaftsbewegung konnte dieses Ziel in den 60er Jahren nicht verwirklichen. Zum Beispiel prosperierten die Volksvereine, aber etwa die Ha'lfte bis zwei Drittel ihrer Mitglieder waren keine Handwerker, sondern kleinere Kaufleute, Fabrikanten, Rentiers und ahnliches. So anderte Schulze seine bisherige negative Haltung gegeniiber der Gewerkschaftsbewegung und bejahte die Koalitionsfreiheit der Arbeiter. Er griindete auch eine liberalistische Gewerkschaft zusammen mit Max Hirsch und Franz Druncker gegeniiber der sozialdemokratischen (ADAV). Aber der erste Massenstreik im deutschen Raum, der der Wardenburger Grubenarbeiter, scheiterte und damit ging die letzte Chance verloren, die liberale Gewerkschaft zu verstarken und sie der sozialdemokratischen gegeniiberzustellen. Auch die Koalitionsfreiheit wurde von den Rechtsliberalen nicht unterstutzt. Auch in den 70er Jahren lehnte Schulze die sozialde-mokratische, eigenstandige Arbeiterbewegung grundsatzlich ab. So geriet er zusehends in die sozialpolitische Isolation. Die Rechtsliberalen waren mit der Methode der Reichsgriindung von Bismarck zufrieden und vernachlassigten die soziale Reformpolitik, wahrend sie fur Schulze-Delitsch der Kern der Gesellschaftspolitik und fur die Behauptungskraft des Liberalismus auf Dauer unerlasslich war.
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