Der Zusammenhang zwischen Kinderpsychologie und Erziehungshandlung scheint mir viel inniger zu sein als der zwischen der werttheoretisch begrundeten Padagogik und der Erziehungsarbeit. Sehr oft besteht eine unuberbruckbare Kluft zwischen Bildungsideal, Zielsetzung, allgemeiner Rangordnung der Werte und den Grundformen der Wertrichtung, Werterlebnisfahigkeiten des Erziehers (der Eltern, des Berufserziehers, des Seelsorgers, des Richters) sowie des Zoglings. Darum ist es leicht einzusehen, dass die Anwendung rein philosophischer Erorterungen und Forschungen auf den Einzelfall, wie sie die Erziehungshandlung verlangt, schwer gelingen kann. Gehen wir dagegen von den Untersuchungen uber die Entwicklung des Zoglings aus, dann wird die an diese Untersuchungen anknupfende Bildungsarbeit einigermassen den Tatsachen gerecht werden. Nun mochte ich hier ein Beispiel anfuhren und bemerken, dass Kinderpsychologie die unentbehrliche Grundlage jeder Bildungsarbeit sei. Man kann wohl sagen, dass sich im Zeitraum vom zweiten bis ins dritte Jahr hinein und im 13. oder 14. Lebensjahr Trotzanfalle haufen. Darum bezeichnet man im allgemeinen die erstere Zeitspanne als fruhkindliches und die letztere als zweites Trotzalter. Wenn man Kinder und Jugendliche im Trotzalter gut behandeln soll, dann muss man vorerst diese Trotzerscheinungen psychologisch analysieren und ihre Grunde ausfuhrlicher erforschen. Wenn manche gelehrte Fachleute sich auch mit diesem Problem beschaftigt haben, so sind doch die Eigenschaften und besonders die Ursachen dieser Erscheinungen noch nicht genugend Aufgeklart. Gerade darum habe ich hier in meiner Arbeit auf Grund mancher Untersuchungen daruber, vor allem auf Grund von L. Kemmlers Untersuchungen, dieses Problem zu erforschen versucht. Dabei war mir der folgende kluge Gedanke von W. Metzger hochst lehrreich. Es findet sich, dass sich gerade in dieser fraglichen Zeitspanne die seelische Spannung viel starker steigert als in jeder anderen Zeitspanne. Und man konnte als ihre Hauptbedingungen, wie Metzger mit Recht betont, 1) innere Bedingungen, 2) aussere Bedingungen und 3) entwicklungsbedingte Bedingungen aufstellen. Wo die Losung der Spannung wirklich sehr schwer erreichbar ist, dort entsteht meist ein Trotzanfall. Es tut mir sehr leid, dass das eben angegebene Verhaltnis hier im einzelnen nicht weiter erklart werden kann. Schliesslich ist hier davon zu sprechen, wie Kinder und Jugendliche im Trotzalter behandelt werden sollen. Es wird viele Moglichkeiten dafur geben. Aber die beste Art, sie zu behandeln, ist, Ruhe zu bewahren, Humor und immer wieder wirklich aufgeschlossene Liebe ihnen zu zeigen. Die Strafe soll moglichenfalls vermieden werden. Druck erzeugt meistens nur Gegendruck. Die Behandlung der Jugend fordert insbesondere die offene Aussprache auf Grund der dynamischen Liebe der Erwachsenen, ja philia und Humor. Ernst Otto sagt: Der Humor ist der gute Genius der Familie und der Schule. Kinder- und Jugendpsychologie hat nicht nur als Wissenschaft einen Eigenwert, sondern befruchtet auch verschiedene Lebensgebiete, sofern sich uberall Jung und Alt gegenuberstehen und die Jugend das Joch des Alters abschutteln will. Aber es wird selbstverstandlich sein, dass Kinder- und Jugendpsychologie bei Erziehungshandlungen am bedeutungsvollsten ist.
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