1. Jacob Burckhardt ausserte 1877 in einem Vortrag seine Meinung, dass fur Rembrandt die Gegenstande der Malerei 'ein blosser Vorwand' waren. Dieser Vortrag gilt auch als ein hartes Urteil gegen den fruhen Impressionismus, der die Machte des Lichtes und der Farbe den Formen der dargestellten Gegenstande uberordnet. Burckhardts Nachfolger, Heinrich Wolfflin, der schon als Kind den Impressionismus erlebte, schopft den Begriff des Klassischen nicht aus der antiken Kunst, sondern aus der italienischen Renaissance, die er das 'malerische' Jahrhundert nennt, und dadurch kann er in einer Entwicklungsgeschichte des Klassischen den malerischen Stil des Barocks und den Impressionismus begreifen. 2. Die kunstlerische Norm der klassischen Antike und der Renaissance fordert, dass der Gegenstand in der Kunst durch den Umriss deutlich begrenzt ist. Das In-sich-Begrenzte ist eine Grundbedingung des Plastischen. Wolfflin spricht, dass eine plastische Empfindung sich nur wohl in der Welt der klaren Gegenstandlichkeit fuhlt, dass fur eine malerische Empfindung das Gegenstandliche gewissermassen in Bewegung und Schein ganz verdampft ist und ein Ding im klassischen Sinn uberhaupt nicht mehr existiert, und dass das malerische Sehen das Bild von der Schwere des Gegenstandlichen erlost. 3. Der Begriff des Gegenstands in der Kunst verbindet sich mit der Vorstellung der schon proportionierten klassischen Architektur. Wolfflin zitiert mit Recht aus L. B. Albertis de re aedificatoria (IX, 5) die Stelle uber das Verhaltnis (concinnitas): Die Schonheit des Klassischen ist eine Art Ubereinstimmung und ein Zusammenklang der Teile zu einem Ganzen, d.h. die concinnitas, die das unbedingte und oberste Naturgesetz fordert. 'Die Natur ist ein Kosmos, und die Schonheit ist das geoffenbarte Gesetz.' Das verborgene Naturgesetz wird mehr durch die Schonheit des Gebildes enthullt als durch ein zufalliges und einmaliges Ding in der Natur. Dieser Aufsatz wurde in der Erinnerung an einen Basler Kunsthistoriker Joseph Gantner (gest. 7. IV. 1988) verfasst.
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