Eckhart hat von 'Albert dem Großen' die grundsätzliche Disparität zwischen Theologie und Philosophie, von 'Thomas von Aquin' die genaue Analyse des menschlichen Intellekts und von Dietrich das göttliche Sein (esse divinum) als Gegenstand der Theologie und die neue Erklärung über das Prinzip der Seele erlernt. Aber noch eine, auch von Dietrich angesprochene Disjunktion zwischen scientia divina philosophorum und nostra divina sanctorum scientia, setzt Eckhart in Verwunderung. Diese Verwunderung stellt auch dar, dass Eckhart seine Zustimmung nicht dazu geben kann, dass Dietrichs Erklärung über Leben und Tod auf dem Körper beruht. Die Inkarnation Christi und sein Tod am Kreuz muss als das Exemplar für unsere Leben und Tod definiert werden, weil die heilige Trinität die absolute Wahrheit ist.
Es ist daher unsinnig, den Einflußbereich der Philosophie auf dieses Leben zu beschränken und der Theologie ein Vorrecht zuzugestehen, die Seligkeit in jenem Leben zu erkennen, sofern diese — auf dem Körper beruhenden 'Leben' und 'Tod' — nicht ursprünglich ist. Daher gibt es keinen Unterschied zwischen Theologie und Philosophie, weil das Leben in dieses und jenes nicht eingeteilt werden kann und es keinen Grund dafür gibt, »Gott« in diesem Leben nicht schauen zu können. Die Verwirklichung der seligen Anschauung setzt aber die Geburt des Gottessohnes in der Seele voraus. Nach Eckhart sind 'das Glauben' und 'der Glaube' gleichsam eine Bewegung und ein Werden auf das 'Sohnsein'. Das Verhältnis des Glaubens zum Gottessohn hat analogische Beziehung mit dem des Werdens zum Sein.
Eckhart setzt seine neue Theologie mit der traditionellen Metaphysik nicht gleich, obwohl er den Gegenstand der Theologie als ens inquantum ens definiert. Denn das göttliche Sein muss uns die menschliche Vollendung und die Seligkeit bringen und der Logos muss das Heilsprinzip sein. Dadurch hat Eckhart einen neuen Horizont für die selige Anschauung in diesem Leben eröffnet, um mit den transzendentalen Begriffen (esse, unum, verum, bonum) das göttliche Sein zu analysieren, und um in dessen logische Struktur Licht zu bringen.
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