Die Idee der "Leerheit" ist eines der wichtichsten Kennzeichen des Buddhismus. Im Kapitel der "vier edlen Wahrheiten" seines Hauptwerkes Mūlamadhyamakakārikā gibt Nāgārjuna (ca. 150–250) zum ersten und einzigen Mal im gesamten Werk drei Bestimmungen der Leerheit, nämlich das abhängige Entstehen, die Benennung unter Beiziehung von anderen, mit anderen Worten die Benennung im Zusammenhang mit anderen, und den mittleren Weg. Bevor er die drei Begriffe nennt, hat er dem Gegner seine Unwissenheit in Bezug auf drei Punkte vorgeworfen : du kennst weder die Veranlassung zur Leerheit (śūnyatāyām. prayojanam) noch die Leerheit(śūnyatā) und den Sinn, das Ziel oder den Nutzen der Leerheit (śūnyatārthah.). Ich nehme an, dass die drei Punkte den drei Bestimmungen der Leerheit entsprechen, obwohl bislang kein Übersetzer des Werkes und kein Forscher darauf hingewiesen haben. Besonders soll der zweite Punkt, die Leerheit, hier lediglich im Wortsinn aufgefaßt werden, so dass er die treffende Entsprechung für den zweiten Begriff, die Benennung darstellt. Nāgārjuna hält zudem den Gegner zum Besten, weil er das Pferd vergesse, auf das er sich setzt. Nach Meinung Candrakīrtis (ca. 600–650), eines späteren Kommentators, ist das Pferd eine Metapher der Leerheit. Meiner Auffassung nach soll das Pferd vielmehr mit dem Wort der Leerheit verglichen werden, das den Zusammenhang oder die Abhängigkeit aller Dinge ausdrückt. Außerdem entspricht das abhängige Entstehen der Veranlassung zur Leerheit, weil es das erste Prinzip der Lehre des Buddha ist, mit dem er selbst die Erleuchtung erlangt hat und das der Verfasser als solches am Anfang dieses Werkes in den Verehrungsversen erklärt. Der mittlere Weg schließlich passt zum Sinn der Leerheit, weil er der wichtigste Lehrsatz der theoretischen sowie praktischen Tradition im Buddhismus ist, der die vollkommene Auflösung der Gegensätze in allen Arten thematisiert.
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