Es besteht kein Zweifel, dass die Geistesphilosophie von Aristoteles von allerwichtigster Bedeutung ist. Das Grundthema seiner Geistesphilosophie ist die Untersuchung uber das Wesen der Seele, die fur Lebewesen als ein Prinzip des Denkens, des Wahrnehmens, des Nahrens und der Bewegung am Ort gilt. Im vorliegenden Aufsatz beschranke ich mich auf die wahrnehmende Seele. Sie verhalt sich einerseits als ware sie funf verschiedene voneinander unabhangige Sinnesvermogen, anderseits aber vergleicht, verknupft und unterscheidet sie als die Einheitliche die von den einzelnen eigentumlichen Sinnesvermogen herkommenden Eindrucke, was in Hinsicht auf die Natur der Seele in unversohnlichen Widerspruch zwischen Einheit und Vielfalt fuhrt. In diesem Zusammenhang ergibt sich bei Aristoteles die Aporie: wodurch nimmt man zugleich zwei verschiedene Sinnesobjekte wahr? Weder Geschmacksinn noch Gesiehtssinn fur sich lassen den Unterschied zwischen dem Sussen und dem Weissen erkennen, denn sonst wurde auch, wenn ein Mann das eine, ein anderer das andere wahrnahme, fassbar, dass sie voneinander verschieden sind. Aristoteles hat sogar dreimal, u. zw. in De Anima Γ2, Γ7 und De Sensu et Sensibilibus 7, die gleiche Aporie behandelt und uns sieben verschiedene Losungen dafu'r vorgelegt. Ich will auf sie nacheinander eingehen und jeweils ihre Giiltigkeit als die echte Losung beurteilen. Dabei liegt das Kriterium der Bewertung darin, ob sie die Verkorperung der Seele vermeiden kann.
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