Wenn man das Wesen der Baukunst anschaut, so bekommt man zwei kunstwissenschaftliche Grundbegriffe, namlich 'die Raumgestaltung' und 'die Raumgrenze', weil die Baukunst eine Art der Raumkunst ist. Was das innerste Wesen der Baukunst bei August Schmarsow heisst, ist jene Raumgestaltung, die einem menschlichen schopferischen Triebe zum freien Spielraum entspricht, und der "die schopferische Auseinandersetzung des Menschen mitder Welt" zugrunde liegt. Also auffasst er den ersten der beiden Grundbegriffe als das Wesentlicheren. Derzweite Begriff, die Raumgrenze, bedeutet nur die Abgrenzung eines Bezirks, wenn sie auch darin den freien Spielraum gewahre und ihn nicht ausschliesse. Es ist kein Zweifel, dass die Raumgestaltung in unmittelbarer Beziehung mit der Raumgrenze steht. Damit kann die Raumgestaltung notwendig innerhalb des Baues stattfinden, z. B. bei den agyptischen Pyramiden und Hypostylen oder bei deen griechischen Hypaethraltempel. Der Wiener Kunsthistoriker Alois Riegl meint zwar die zwei Grundbegriffe in diesem Sinn: Die Aufgabe der Baukunst zerfallt in zwei Teile, die Schaffung des Raumes als solchen (d. h. die Raumgestaltung) und die Schaffung des Raumgrenzen. Aber er glaubt zugleich, dass eine gewisse Bauform z. B. die Pyramide ist eher ein Bildwerk als ein Bauwerk zu nennen, und er versteht unter dem Begriff der Raumgestaltung die Schaffung einer 'oben geschlossenen' Innenraun (besonders bei dem Hypostylos und dem Hypaethraltempel). Bei den beiden Gelehrten ist nicht nur die Verschiedenheit der Begriffsbestimmung, sondern auch ihre Gegensatzlichkeit zu erkennen. Riegl versteht die Kunst der Antike durch eine Reihe der entwicklungsgeschichtlichen Begriffe, d. h. 'haptisch' und 'stoffliche Individualitat' bei den Agyptern, 'haptisch-optisch' bei den Griechen oder 'optisch' bei den Spatromern, wahrend Schmarsow die Kunst so nach ihrem schopferischen (funktionellen) Wesen folgerichtig erklart, wie die Baukunst als Raumgestalterin bezeichnet wird, die Plastik als Korperbildnerin, usw..
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