Die Hauptrichtungen des deutschen Liberalismus im Vormarz konnen in folgende drei Typen klassifiziert werden. (1) Die Gemassigten, die von F.C. Dahlmann und den rheinischen Industriellen, David Hansemann und Ludolf Camphausen, vertreten werden. (2) Die Dualisten, die von den Liberalen in Suddeutschland, Karl von Rotteck und Karl Theodor Welcker, vertreten werden. (3) Die Radikalen, die von den Junghegelianern wie Arnold Ruge und den Demokraten in Baden wie Friedrich Hecker und Gustav von Struve vertreten werden. In diesem Aufsatz sucht der Verfasser, die politische Idee F. C. Dahlmanns als einen typischen Gedanken der Gemassigten zu betrachten, um die Eigentumlichkeiten des deutschen Liberalismus im Vormarz klarzumachen. Als Anhanger der Historischen Schule und der ihr nahestehenden Romantik lehnte Dahlmann die Lehre vom Staatsvertrag ab und verwarf jede Darstellung des Staates, welche die historische Grundlage nicht berucksichtigte. Aber er wich in einigen wichtigen Punkten von der Historischen Schule ab : Wahrend diese sich darauf beschrankte, den Staat als Produkt der Geschichte nur zu beobachten und zu verstehen suchte, ohne zu seinen verschiedenen Erscheinungsformen wertend Stellung zu nehmen, erarbeitete Dahlmann einen absoluten Massstab, der zur Unterscheidung eines guten Staates von einem schlechten dienen sollte. Durch einen solchen Massstab griff er, als Vertreter des Mittelstandes, d.h. des dritten Standes, den Absolutismus heftig an und erwartete die kontinuierliche Entwicklung aus einem absolutistischen Staat zu einem konstitutionell-monarchischen nach dem Muster Englands. Aber er konnte der Forderung der Zeit nicht entgegenkommen, weil er die wichtige gesellschaftliche Erscheinung des 19. Jahrhunderts, namlich das Aufkommen des Proletariats nicht erkannte und dieses als "Pobel" vom Wahlrecht auszuschliessen suchte. Deshalb scheiterte sein Konstitutionalismus an der Revolution von 1848. Aber seine politische Idee ist insofern hochzuschatzen, als sie im Unterschied zur politischen Ideen seiner Nachfolger, der Historiker der Preussischen Schule, die Freiheit der Einheit vorzog und an einer primar verfassungs-politischen Betrachlungsweise festhielt.
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